Tariq Nazar: Raumkrank

Tariq Nazar: Raumkrank. Norderstedt 2008, Books on Demand, ISBN 3-8370-2464-4, Paperback 12,0 cm x 19,0 cm, 288 Seiten, 15,90 Euro

Tariq Nazar: Raumkrank

Am 23. Juni 2113 kommt es zufällig zum Erstkontakt der Menschen mit außerirdischen Intelligenzen, als ein Wartungstechniker in eine außerirdische Touristengruppe gerät. Einige Jahre später bemüht sich die nach wie vor in diverse Machtbereiche zerteilte Menschheit um die Aufnahme in die galaktische Gemeinschaft - und darum, außerirdische Technologie und Wissen zu erlangen. Dazu werden, von verschiedenen Organisatoren gesponsort, Wissenschaftler und Techniker als »Austauschschüler« in verschiedene außerirdische Einrichtungen geschickt. Dr. Nero Antimon hat auf diese Weise die Möglichkeit, die zwölfte intergalaktische Weltraumklinik zu besuchen. Er hofft darauf, bei der Behandlung von außerirdischen Patienten assistieren zu können, doch seine Sponsoren sind daran nicht interessiert - er soll Berichte schreiben und seine Auftraggeber auf gewinnbringende Technologien aufmerksam machen. Er freundet sich jedoch mit dem krokodilähnlichen rrupthulischen Atmungsarzt Ssrrhurush an, der die Vorschriften nicht so genau nimmt und lieber am lebenden Beispiel demonstriert...

Dies ist einer der leider viel zu seltenen humorvollen Romane, die vor allem eine gute Geschichte erzählen und nur bei Gelegenheit Humor einstreuen. Zu viele humorvolle Werke versuchen auf Kosten der Geschichte, auch noch die letzte Pointe herauszuquetschen, was insbesondere das wederholte Lesen eher zur Qual macht. Glücklicherweise macht Tariq Nazar diesen Fehler nicht, er hat eine gute und interessante Geschichte, die er konsequent entwickelt und dabei kräftig mit Humor würzt. Einige Stellen geraten dabei leider etwas albern, und man muß die von ihm angewandte Art des Humors mögen (was bei mir der Fall ist). Ansonsten ist »Raumkrank« ein sehr vergnügliches Buch, das sich auch noch gut lesen läßt.

Wie sich das für einen guten Science-Fiction-Roman gehört, bringt der Autor hier auch etwas Kritik an unserer heutigen Gesellschaft unter. Der Grund für Ssrrhurushs »Verbannung«, der mal eben beiläufig erwähnt wird, ist eine harsche Kritik an der rein kostenorientierten Herangehensweise, die unseren Krankenhäusern seit Jahrzehnten von der Politik und seit einigen Jahren auch von privaten, gewinnorientierten Betreibern aufgezwungen werden. Das Wohl des Patienten interessiert dabei nicht im geringsten, bloß das Geld. Ganz am Ende des Romans wird auch der unsinnige Wahnsinn der Bürokratie enttarnt (mehr möchte ich hier nicht verraten). Die Gesellschaftskritik wird dabei sehr geschickt, unaufdringlich und humorvoll in die Geschichte eingebunden.

Tariq Nazar bedient sich einer klaren, wohlstrukturierten Sprache ohne unnötige Schnörkel, in der er einige komplexe Zusammenhänge leicht verständlich darlegt. Die gute Sprachqualität macht das Buch angenehm zu lesen. Es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen, und das, obwohl für den größten Teil des Buches kein nennenswerter Spannungsbogen besteht - man möchte einfach wissen, welche Idee als nächstes kommt.

Auch die Wissenschaft kommt nicht zu kurz: Auf sehr vergnügliche Weise wird eine gute Idee für einen verbesserten Übersetzungsomputer erläutert. Andere SF-Schaffende drücken sich meist um eine vernünftige Erklärung, wie denn die Kommunikatioin zwischen den verschiedenen Spezies funktionieren soll, hier gibt es einen plausiblen Technologieentwurf, der auch noch sehr unterhaltsam vorgebracht wird. Der italienische Akzent kommt zwar durch die Schreibung in korrektem Hochdeutsch nicht gut rüber, aber dafür liest sich das erheblich besser als ein zu Papier gebrachter Akzent. Die Passage böte sich sehr zur Verhörbuchung an.

Ich mußte beim Lesen immer wieder an die Serie "Orbit Hospital (Sector General)" des nordirischen Autors James White denken. Das ist freilich kein Wunder, denn große Weltraumkrankenhäuser gibt es in der SF nicht gerade viele. Es gibt logischerweise Ähnlichkeiten, beispielsweise die verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichen Umweltbedingungen und Gravitation sowie der Übersetzungscomputer, der bei Angriffen schon mal ausfällt. »Raumkrank« ist aber ein absolut eigenständiges Werk, die Unterschiede sich beträchtlich. So wird die Gravitation bei White mit Gravitationsgittern erzeugt (wie auch immer die funktionieren mögen), während Nazar die Station rotieren läßt, was im Verlauf der Geschichte noch raffiniert eingesetzt wird.

Fazit: Ein ordentlich geschriebener humorvoller Unterhaltungsroman mit ein paar kleinen Schwächen. Wer den respektlosen Humor mag und sich nicht von ein paar Albernheiten stören läßt, bekommt hier gute Unterhaltung auf ordentlichem Niveau geboten. Empfehlenswert.


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Erstellt am So, den 07.12.2008 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am Fre, den 12.12.2008 um 00:45.