N. N. (editors of nerve.com): 2033: The Future of Misbehavior. San Francisco 2007: Chronicle Books, ISBN 0-8118-5940-1, Hardcover mit billiger Leimbindung und Schutzumschlag cm x cm, 197 Seiten, US-$
enthält:
Jim und Marcia haben wieder einmal denselben Streit, da er das Kindermädchen fickt. Leider droht Nachbar Simmons ihnen durch einen bewaffneten Ausraster die Show zu stehlen, doch diesmal hat Jim ein Sexvideo gemacht...
Reality TV auf die Spitze getrieben, und die Leute machen auch noch mit, verbissen versuchend, die Nachbarn in Punkto Öffentlichkeitswirksamkeit auszustechen. Das ganze Land im Show-Biz-Wahn... die Amis haben es ja mit ihrer persönlichen Viertelstunde Ruhm. Sehr schöne Satire über den alltäglichen Wahnsinn mit einer schönen Schlußpointe.
Lionel Richie hat nach dem Tod seiner Tochter Nicole Stipendien eingerichtet für normale Leute, damit sich die Promis bei den inzwischen unglaublich teuren Parties und Clubs nicht so gewöhnlich fühlen.
Bitterböse Satire auf die hirnlosen Kinder diverser US-Promis, speziell auf Nicole Richie und Paris Hilton. Schlimmster Auswuchs ist das Baby aus Botswana im Goodie-Bag von Swarowski.
Willie ist glücklich mit seinem Roboter Katrina. Als ihm ein Vorserien-Upgrade angeboten wird, das Katrina seinen Wünschen und und Stimmungen gegenüber aufmerksamer machen soll, greift er zu - doch Katrina entwickelt sich weiter als gedacht...
Satire über die feuchten Träume der Männer und das (böse?) Erwachen in der Realität. Netter Ansatz in der Schlußpointe.
Börsenmakler Mike Derjerlain-Reet-Swenson-Chang hat sich lange darüber geärgert, daß jede seiner Fonds-Ideen schnell billiger von der Konkurrenz angeboten wurden, da Computer das wunderbar hinkriegen. Doch jetzt hat er etwas neues gefunden, das ihm keiner so leicht nachmachen kann: Er handelt mit Devotionalien von Berühmtheiten. Dabei pusht er Möchtegern-Promis selbst, um dann richtig abzukassieren.
Schöne Satire im Stil eines Finanzmagazinartikels auf den Berühmtheitswahn nicht nur der Amis. Besonders nett die Vorstellung, daß Börsenmakler nun Berühmtheiten machen, um abzukassieren. Das Buch erschien 2007, als die durch die Immobilienblase verursachte Finanzkrise außer für Insider noch nicht absehbar war. Nun, 2010, im Rückblick bietet diese Geschichte einen besonderen Blickwinkel, denn letztendlich wird irgendwann das Interesse oder das zur Verfügung stehende Geld für die Souvenirs ausbleiben, und dann wird auch diese Blase platzen, denn das ist die logische Konsequenz, wenn Nachfrage künstlich erzeugt wird.
Wendy Zinerman, Chefin des Hochzeitsmagazins "Big Day", schreibt angesichts der Scheidungsrate von 100% eine motivierende e-Mail.
Herrlich zynischer Blick auf die US-Business-Ethik (genauer: deren Fehlen): Nutze die Dummheit der Leute aus...
Die erfolgreiche Geschäftsfrau Sloane versucht ihren Assistenten Chris zu verführen.
Persiflage auf die umgekehrte Situation im 20. Jahrhundert, dadurch allerdings sehr vorhersehbar. Durch die Anlage als Drehbuch oder Theaterskript kommt die Geschichte recht trocken beim Leser an.
Rede eines transsexuellen New Yorker Stadtrats zur Förderung der Pornoindustrie nach der Sezession von den theokratischen Südstaaten.
Schöne Idee, die Sezession umzukehren und die sich verschärfende Moral gleich mit, durch den geschwollenen Redestil aber recht trocken.
Die eingehenden e-Mails des 3. März 2033 an Mark Johnson zeichnen des Bild einer Gesellschaft, in der dank Nanos die Lebenserwartung der Menschen ganz erheblich gestiegen ist.
Die e-Mail-Idee ist sehr gut umgesetzt, durch die emotionalen Mails kommt die skizzierte Welt sehr gut und farbig zur Geltung, und natürlich klappt auch da nicht alles...
Der namenlose ich-Erzähler fliegt zum Saturn, weil er über eine illegale Partnervermittlung das Alien Z)(Z kennengelernt hat.
Seltsame Geschichte ohne klares Ende. Die Erlebnisse auf dem Saturn erinnern mich ein wenig an die Geschichten von Ernst-Eberhard Manski (Pseudonym Edgar Güttge), sie sind definitiv nicht allzusehr an die Realität angelehnt und damit in diesem Buch aus dem Rahmen fallend.
Brigham fährt hin und wieder nach Las Vegas, da auch jemand, der nach dem Prinzip lebt, hin und wieder eine Auszeit braucht. Er geht dann eine Nacht lang tanzen, bevor er nach Hause zurückkehrt.
Erst ganz zum Schluß wird aus der Geschichte SF. Es geht um Religion und die Schwierigkeiten, mit ihren Geboten zu leben, mehr will ich nicht verraten. Gut erzählt mit einer richtig bösen und satirischen Schlußpointe.
Sharon Grayson ist die Frau der Präsidentin der USA und muß in Kansas und Nebraska wieder auf Wahlkampftour, was sie haßt. Immerhin gibt es in dieser Grundschule eine hübsche junge Lehrerin...
Schön erzählt, aber ein sehr abruptes und nichtssagendes Ende.
Der ich-Erzähler arbeitet für die Ältesten, einer Art Sekte, die sich auf die öffentlichkeitswirksame Fernseh/Internet(?)sendung "People Live" stützt. Er betreut die neueste Heilige, die 18jährige "Gentle Islita".
Sehr eindringlich erzählt, das Gefühl einer Sekte ist sehr deutlich. Hier machen offenbar die Medien die Heiligen - seltsam und für mich unverständlich.
Christopher Traubig ist angeklagt, eine junge Südstaatlerin vergewaltigt wollen zu haben. Er schreibt dem Richter einen Brief, in dem er erklärt, wie es dazu kam.
Wieder ein eher trocken zu lesender Brief. Nicht wirklich SF, denn Männer müssen sich nach mißglückten Verführungsversuchen von Frauen öfter mit ungerechtfertigten Vergewaltigungsvorwürfen herumschlagen.
Seit Autos verboten sind, um aus dem Metall Waffen für die diversen Kriege der US-Regierung herzustellen, spielt sich das Leben im Heimatort des Ich-Erzählers in den Büschen der Parks ab - genauer gesagt des Sexleben.
Nett erzählt, aber ziemlich nichtssagend. Wohl eine versuchte Satire auf den US-Autowahn, aber die für das Verbot gegebene Begründung zieht nicht, da schon der DDR-Trabant gezeigt hat, daß ein Auto nicht viel Metall enthalten muß.
FBI-Google, Inc. überwacht die Einhaltung des Mandatory Hartware Act, der die Installation bestimmter Software im Menschen erzwingt. Sie überwachen eine Radioshow.
Wieder kein vernünftiges Ende. Sehr erschrechende Zukunft, über die wenig klar ist (Feuer im Westen?). Es handelt sich wohl um die logische Weiterführung der heutigen Betrebungen zum Überwachungsstaat.
Seit 2008 mischen sich die Aliens in die irdische Politik ein, sie verlangen, daß jeder Mensch verheiratet ist, da Singles eine Gefahr für den Weltfrieden seien. Die Ich-Erzählerin ist mit den vom System ausgewählten Männern unzufrieden, da sie ihr zu ähnlich sind.
Eine bekloppte Welt mit einer bekloppten Ursache dafür - denn das ist alles, wofür die Aliens in dieser Geschichte gut sind. Jen Kirkman nimmt hier die Partnervermittler aufs Korn, die genau wie das System der Aliens passende Menschen zusammenführen will - nicht unbedingt erfolgreich.
Führung durch die National Swinger Hall of Fame: Aus einer Untergrundbewegung wurde, was Präsident Schwarzenegger vor 10 Jahren zur nationalen Freizeitbeschäftigung erklärte: Swinger-Wettbewerbe mit je 8 verheirateten Paaren pro Mannschaft.
Sehr gut gemachte Satire auf die US-Prüderie, denn was zunächst wie ihr Ende aussieht, ist weiterhin prüde, nur auf andere Weise. Sehr gut erzählt mit viel Liebe zum Detail, auch wenn es nach derzeitigem US-Recht keinen Präsidenten Schwarzenegger geben kann.
Der ich-Erzähler sieht dank von der Regierung bezahlter Schönheitsoperationen aus wie Keanu Reeves. Seine Freundin Ava hat sich ein paar zusätzliche Löcher machen lassen, da ihm beim Sex langweilig wurde, sie ihn aber nicht fremdgehen lassen wollte. Er entdeckt eine Frau, die tatsächlich Falten im Gesicht hat...
Sehr schön erzählte Satire auf den Jugend- und Schönheitswahn - immer nur jung und knackig kann langweilig werden, vor allem ohne ordentliche Rundungen bei der Weiblichkeit! ;-)
Die Themenpalette ist vielfältig: Sektenbildung, Überwachungsstaat, Mediengeilheit und Medienmanipulastion, Kriegsführung, Politiker, Schönheitswahn, Prüderie und Sexualität. Der USA-zentrische Blick ist freilich immer sehr deutlich spürbar, ganz so, als sei das Thema nicht, wie die Welt in 25 Jahren aussieht, sondern wie die USA in 25 Jahren aussehen. Auch das läßt Rückschlüsse zu, wie die Welt in 25 Jahren aussehen wird...
Stilistisch sind die Geschichten solide bis gut geschrieben, mehreren Erzählungen steht der Stil allerdings im Weg, da sie als Reden oder Briefe sehr steif daherkommen und demzufolge den Leser nicht mitreißen können. Inhaltlich sind auch diese Stories lesenswert und von daher zu Recht in der Anthologie enthalten. Mehrere Geschichten brechen sehr abrupt ab, als ob entweder nicht genügend Platz zur Verfügung stand oder der Autor sich nicht getraut hat, die Geschichte zu ihrem logischen Ende zu bringen.
Fazit: Abwechselungsreiche Sammlung von Science Fiction, die in der näheren Zukunft spielt. Durch die Ignoranz der restlichen Welt gegenüber entsteht allerdings auch der Eindruck der Ähnlichkeit, was sehr bedauerlich ist. Zusätzlich sind mehrere Geschichten in ein zu enges formales Korsett gezwängt. Daher nur bedingt empfehlenswert.
Copyright ©2009, 2010 Martin Stricker.
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Erstellt am Sa, den 13.02.2010 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am Sa, den 13.02.2010 um 14:47.