Elizabeth Moon: Marque and Reprisal [Kylara Vatta Band 2]. New York 2004, Del Rey (Random House), ISBN 0-345-44758-1, Hardcover mit billiger Leimbindung und Schutzumschlag, 336 Seiten, 24,95 US-$
Elizabeth Moon: Marque and Reprisal [Kylara Vatta Band 2]. New York 2005, Del Rey (Random House), ISBN 0-345-44759-X, Taschenbuch 10,5 cm x 17,4 cm, 378 Seiten, 7,99 US-$
Auf das Hauptquartier von Vatta Transport und das Familienanwesen auf Slotter Key werden Anschläge verübt, Kys Vater wird dabei schwer verletzt, ihre Mutter und viele andere Familienmitglieder kommen ums Leben. Während Ky von Belinta aus mit den Überresten des Hauptquartiers ein Ansible-Gespräch führt, weil Unbekannte versucht haben, einen Sprengsatz auf ihr Schiff zu schmuggeln, kommen maskierte Bewaffnete in die Kapitänsgilde, sie kann nur mit Mühe dem Anschlag entkommen. Mehr und mehr Ansibles fallen aus, ISC scheint interne Probleme zu haben. Leonora, eigentlich ihr nächstes Ziel, scheint alle ankommenden Schiffe anzugreifen, um einem Angriff wie im Sabine-System zuvorzukommen. Ky beschließt daher, direkt nach Lastway weiterzufliegen. Dort trifft sie auf ihre Cousne Stella, das »schwarze Schaf« der Familie, die interessante Bekanntschaften hat.
Brauchte der erste Band noch ziemlich lange, um in Fahrt zu kommen, beginnt der zweite gleich mit einem Paukenschlag, und auch danach reißt die Spannung nicht ab, auch wenn dem Leser einige Atempausen gegönnt werden. Vatta Transport, ihre Frachtraumschiffe und alle Mitglieder der Familie Vatta werden in einer konzertierten Aktion von einem unbekannten Gegner angegriffen. Es ist zunächst völlig unklar, wieso - nur an Kys Verstrickung in den mißglückten Angriff einiger Piraten auf das Sabine-System kann es nicht gelegen haben, dafür erfolgt der Angriff zu schnell danach. Als die Ansibles ausfallen, wird klar, daß der Angriff auch ISC gilt, wo offenbar interne Feinde am Werk sind, und damit auch dem gesamten interstellaren Handelt, und daß Vatta nur als Beispielziel ausgesucht wurde, im die anderen Handelslinien gefügig zu machen. Die Piratenallianz nutzt gnadenlos aus, daß jeder Planet nur für sich selbst wirtschaftet und es keine übergeordnete Militär- oder Polizeikraft gibt, die die interstellaren Handelsrouten überwachen und von Piraten säubern könnte. Damit zieht Elizabeth Moon eine deutliche Parallele zur heutigen Situation auf den Weltmeeren der Erde, wo sich besonders in Südostasien die Piraterie wieder ausbreiten kann, da es keine wirksamen internationalen Abwehrmaßnahmen gibt.
Interessant finde ich, wie hier das Monopol von InterStellar Communications (ISC) positiv dargestellt wird, obwohl die Geschichte gerade die Schwachstellen dieses Monopols aufdeckt: Gibt es nur einen Anbieter mit der nötigen Hardware, bricht die gesamte Kommunikation zusammen, wenn dieser Anbieter ausfällt. Außerdem verhindert das Monopol den Fortschritt - die hübschen Schiff-zuSchiff-Ansibles werden von ISC unter Verschluß gehalten, um das Monopol nicht zu gefährden. Das erinnert mich sehr an einen Fall in der Vergangenheit der U.S.A., als Western Union versuchte, Bells Telephon zu verhindern (wobei ich durchaus die Ironie sehe, daß aus Bells Firma ebenfalls ein Monopolist wurde). Dieses Monopol bietet dem Verbrechersyndikat ideale Bedingungen für ihren Angriff, denn sie können durch relativ simple Modifikationen an der Ansible-Software alle von der interstellaren Kommunikation ausschließen, während sie selbst weiterhin problemlos kommunizieren können - ein enormer taktischer und logistischer Vorteil. Monopole bringen schnell Neider auf den Plan, und Vattas bedingungslose Unterstützung dieses Monopols hat sie wohl erst zur potentiellen Zielscheibe gemacht.
Die Entwicklung der zur überlichtschnellen Kommunikation nötigen Ansibles von großen Raumstationen mit mehreren hundert Besatzungsmitgliedern (im ersten Band wird erwähnt, daß die Zerstörung der Ansible-Plattformen im Sabine-System bis zu tausend Tote gefordert hat) über schiffsgebundene Ansibles bis hin zu in ein Kopfimplantat passende und sich softwaremäßig wie ein Computerprogramm kopierendes Miniaturansible erscheint mir doch etwas übertrieben. Insbesondere die reine Softwarelösung - sonst wäre eine Weiterverbreitung in andere Implantate nicht möglich - halte ich für unwahrscheinlich - Überlichkommunikation mit der Hardware eines normalen Computerimplantats? Auf die Erklärung dafür bin ich gespannt! Nicht daß ich eine erwarte - Moon hat sich buslang in allen ihren Romanen überhaupt nicht zu technischen oder wissenschaftlichen Einzelheiten geäußert.
Die Auflösung, wer hinter der Entscheidung, Vatta als Primärziel zu verwenden, steckt, ist überraschend. Das liegt aber nicht etwa daran, daß die Autorin den Leser geschickt an der Nase herumgeführt hätte, sondern vielmehr an der konsequenten Nichterwähnung des entsprechenden Zweigs der Vatta-Familie im vorhergehenden Teil des Zyklus. Elizabeth Moon liefert dem Leser in diesem Zyklus nur die Minimalinformationen, die zum Verständnis der aktuellen Lage unbedingt notwendig sind. Dadurch kann sie den Leser regelmäßig überraschen, da ihm durch fehlende Informationen jede Möglichkeit genommen wird, selbst auf die Lösung zu kommen. Das führt jedoch zumindest bei mir zu einiger Frustration, da für mich der Versuch, die Richtung der Story vorauszuahnen, einen erheblichen Anteil am Lesespaß ausmacht. Das hat mein Interesse am Weiterlesen soweit geschmälert, daß ich das Buch trotz gutem Spannungsbogen ohne Durchhänger jederzeit zur Seite legen konnte.
Der Fokus der Charakterisierung liegt wieder auf der Hauptperson Ky. Diesmal werden aber auch einige andere Protagonisten genauer beleuchtet. Dabei dürfen sich Tante Gracie (die mit den fast ungenießbaren Fruchtkuchen) und Cousine Stella (das »schwarze Schaf«) als etwas ganz anderes entpuppen, als wofür Ky sie hält. Rafe darf den geheimnisvollen Retter spielen, dessen Motivation im Unklaren gelassen wird, während man über den vermutlich loyalen Gordon Martin eigentlich gar nichts erfärt. Erneut macht Elizabeth Moon es sich leicht und verrät nur so viel wie unbegingt nötig, daher läßt sich überhaupt nicht einschätzen, wer eventuell zu einer Gefahr werden könnte. Kein Wunder, daß Ky genau dieses Problem immer wieder hat...
Fazit: Gleich zu Beginn gehr es richtig zur Sache, und mit einigen Atempausen hält das Buch den so aufgebauten Spannungsbogen konsequent durch. Mangelde Informationspolitik der Autorin und geringe Charakterisierung der meisten Protagonisten schmälern das Lesevergnügen ein wenig, zum Ausgleich gibt es ein paar politische Dinge im Hintergrund, die zum Nachdenken anregen. Gutes Popkorn-Kino im Buchformt. Empfehlenswert!
Copyright ©2008 Martin Stricker.
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Erstellt am Fre, den 29.08.2008 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am Mo, den 01.12.2008 um 13:45.