Michael McCollum: Der Antares-Krieg. Heyne 87910 Juli 2004, ISBN 3-453-87910-4, aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Walter Brumm, Paperback 13,5 cm x 20,9 cm, 909 Seiten, 14,00 Euro
Das Buch enthält die gesamte Antares-Trilogie:
Die Menschen haben etwa 80 Planeten besiedelt, nachdem die Faltraumübergänge (Schwachstellen in der Raumzeit entlang von Raumfalten, die vom galaktischen Zentrum ausgehen) entdeckt wurden. Andere Formen der interstellaren Reise sind nicht möglich. Das System Valeria mit der Kolonialwelt Alta ist seit etwa 120 Jahren vom Rest der Menschheit abgeschnitten, da ihr einziger Faltpunkt verschwand. Nun wird die Ursache sichtbar: Antares wurde zur Supernova! Und der Durchgang der Schockwelle durch das Valeria-System hat offenbar den Faltpunkt wieder erscheinen lassen, denn es ist ein Raumschiff durchgekommen. Nach einem schwierigen Abfangmanöver stellt sich heraus, daß es sich um ein menschliches Kriegsschiff handelt, weitaus stärker bewaffnet als alles, was sich in den altanischen Archiven findet, und es ist fast völlig zerstört. Es herrscht also offenbar ein erbarmungsloser Krieg, und ein altanisches Vorauskommando soll herausfinden, wer gegen wen kämpft.
Das ist gerade mal der Anfang des ersten Bandes, aber mehr möchte ich nicht verraten, um euch den Lesespaß nicht zu verderben. Das Buch ist sehr gut geschrieben, aber meiner Meinung nach ist der auf dem Klappentext vorgenommene Vergleich mit David Weber und John Ringo nicht korrekt: Die beiden Autoren gehen vor allem auf die militärische Seite ein, während McCollum die Sache ruhiger angehen läßt: Nur im dritten Band kommt es zu ausgedehnten Kampfhandlungen, der Rest ist mehr der Erforschung gewidmet. Es handelt sich daher zwar um Military SF, aber die Space Opera steht klar im Vordergrund. Außerdem arbeitet McCollum die Interaktionen zwischen den Charakteren sehr gut aus.
Der dritte Band weist einen deutlichen Stilbruch auf (im englisxchen Original fällt das deutlicher auf, Walter Brumm hat sich bei der deutschen Übersetzung offenbar bemüht, diese Unterschiede zu verwischen). Dieser Stilbruch ist sicherlich nicht überraschend, sind doch zwischen der Veröffentlichung von Band 2 und Band 3 16 Jahre vergangen. Allerdings zeigt sich auch eine deutliche inhaltliche Verschiebung: Hatten in den beiden ersten Bänden Erforschung und Kontaktaufnahme Vorrang, konzentriert der dritte Band sich auf die militärische Seite. Glücklicherweise nicht völlig, denn McCollum findet einen interessanten Ausweg aus dem Dilemma. Mir stellte sich nun die Frage nach dem Warum: Was verzögerte das Erscheinen des 3. Bandes 16 Jahre, und wieso legt der Autor jetzt gesteigerten Wert aufs Militärische? Seine in der Zwischenzeit erschienenen Romane gegen darüber keinen Aufschluß, Militärisches hält sich bei ihnen eher in Grenzen. Allerdings geht der darauffolgende Roman "Gibraltar: Earth" in eine ähnliche Richtung. Was also war passiert?
Wie aus der Homepage seines Kleinverlags SciFi-Arizona (http://www.scifi-az.com/) und einem Interview mit Dirk van den Boom (nachzulesen in phantastisch! 16 (4/2004), S. 32 - 35) hervorgeht, hatte McCollum Antares zunächst nur als Zweiteiler verkauft. Als die Handlung dann länger wurde, hatte der Verlag Del Rey kein Interesse an einem dritten Teil. Daher konnte dieser erst erscheinen, nachdem McCollum seinen eigenen Kleinverlag gegründet hatte.
Der Grund für die Schwerpunktverlagerung hin zur militärischen Lösung ist vermutlich im 11.09.2001 und dem Krieg im Irak zu suchen (leider hakt das Interview nicht weiter in dieser Richtung nach). McCollum ist ein deutlicher Kriegsbefürworter. Das Grundgerüst der Handlung stand aber wohl schon bei Abfassung des 2. Bandes fest. Es ist daher gefährlich, allzuviel in die Handlung hineinzuinterpretieren, ich tue es aber trotzdem. ;-)
***SPOILERWARNUNG*** Wer das Buch noch nicht gelesen hat und keine Details aus dem dritten Band erfahren möchte, bitte erst unten beim Fazit weiterlesen!
Die Menschheit steht im Konflikt mit Aliens, die aufgrund eines jahrtausendelangen Überlebenskampfes mit den Schnellen Essern genetisch/instinktiv (falls so etwas überhaupt möglich ist, aber seis drum) xenophob eingestellt sind. Sie haben die Menschheit angegriffen, weil sie der Überzeugung sind, daß zwei intelligente Spezies mit ähnlichen Umweltanforderungen nicht zusammen existieren können, sondern daß es zwangsläufig zum Überlebenskampf zwischen ihnen kommen muß. McCollum stellt diese Spezies nun vor das Dilemma, entweder ihre instinktive Furcht zu überwinden und sich den Menschen auszuliefern oder von ihnen ausgerottet zu werden.
Wenn ich das jetzt mal ganz dreist übertrage, dann lautet McCollums These, daß Extremisten und Fanatiker genügend Verstand besitzen, im Angesicht einer tödlichen Übermacht aufzugeben. Darin liegt aber zumindest bei Menschen ein schwerer Denkfehler: Je mehr ein Mensch bedrängt wird, seine Überzeugungen aufzugeben, umsomehr wird er an ihnen festhalten. Das ist ein psychologischer Reflex, der sich nur in den seltensten Fällen überwinden läßt, und das nur, wenn die betroffene Person *nicht* unter Druck steht und daher in Ruhe nachdenken kann.
McCollums Buch endet mit der Kapitulation der Ryall, genau wie die Pläne der US-Regierung mit der Eroberung des Landes endeten. In der Realität ging das nach hinten los: Gewalt erzeugt Gegengewalt, wer Wind sät, wird Sturm ernten. Das zeigen alle Konfliktherde auf der Erde. Am Beispiel Nordirland zeigt sich, daß nur eine konsequente Deeskalationspolitik die Hoffnung auf Verhandlungen birgt. So, Ende des Ausflugs in die unschöne Welt der Politik...
***Ende der Spoilerwarnung***
Fazit: Ein sehr gutes Buch, das für viele verschiedene Geschmäcker geeignet ist. Empfehlenswert!
Copyright ©2004, 2005, 2006 Martin Stricker.
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Erstellt am Mio, den 29.12.2004 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am So, den 14.05.2006 um 17:43.