Karsten Kruschel: Vilm - Der Regenplanet [Vilm Band 1]

Karsten Kruschel: Vilm - Der Regenplanet [Vilm Band 1]. Nittendorf Mai 2009, Wurdack Verlag, ISBN 3-938065-36-2, Paperback 13,5 cm x 21,0 cm, 219 Seiten, 12,95 Euro

Karsten Kruschel: Vilm - Der Regenplanet [Vilm Band 1]

Der Weltenkreuzer »Vilm van der Oosterbrijk« ist in den Außenbereichen des erforschten Weltraums unterwegs, um Siedler, meist von Serafim, auf eie neue Kolonie zu bringen. Das Schiff ist streng hierarchisch aufgebaut, an der Spitze stehen die Zentralier, die mittels im Arm implantierter Elektronik in direkten Kontakt mit dem Zentralen Computernetzwerk treten können. Als der Weltenkreuzer zu einem Navigationscheck aus der Überlichtfahrt in den Normalraum zurückkehrt, kommt es zu einer Fehlfunktion, in deren Folge das Schiff in seine Segmente zerfällt und auf einem Planeten abstürzt, auf dem Menschen zwar leben können, der sich aber aufgrund der fast immer geschlossenen Wolkendecke und des ständigen Regens nicht wirklich für eine Besiedlung eignet. Etwa 400 Menschen überleben den Absturz, darunter kaum Besatzungsmitglieder und nur eine Zentralierin, Eliza Simms. Sie wird von den Kolonisten, die sich auf der Oosterbrijk unterdrückt gefühlt haben, stark angefeindet. In weiteren Episoden wird unter anderem über die anfänglichen Versuche der Schiffbrüchigen berichtet, nützliches Material aus dem Wrackgebirge zu bergen, über den schwierigen Kampf des einzigen Arztes gegen eine unbekannte Kinderkrankheit und über die Entdeckungen, die die ersten auf Vilm geborenen Kinder beim Heranwachsen machen.

Auch wenn »Roman« auf dem Umschlag steht, wirkt das Buch eher wie eine Sammlung von Kurzgeschichten, die die Geschichte Vilms schlaglichtartig betrachten. Die Brüche in der Handlung sind stark, es dauert bei jeder Geschichte wieder einige Zeit, bis der Leser weiß, wie diese neue Episode in den Gesamtzusammenhang paßt. Ich hätte mir einen stringenteren Handlungsfaden oder zumindest Überleitungen zur nächsten Geschichte gewünscht.

Der Hintergrund des Buches ist offensichtlich gut ausgearbeitet, leider wird dieser fast nur am Anfang nur in Andeutungen erwähnt und ist für den Fortgang der Geschichte völlig ohne Belang. Da es eine Fortsetzung geben wird, hoffe ich, daß der Hintergrund dort wieder aufgenommen wird, er klingt nämlich höchst interessant: Die Erde hat sich vom Weltall abgekapselt, das Eridanische Raumschiff versucht in der Erdumlaufbahn vergeblich Kontakt aufzunehmen, das Oberkommando der raumfahrenden Menschen residiert auf Atibon Legba, und innerhalb der Menschheit gibt es rivalisierende Fraktionen, die auch vor Gewalt und Sabotage nicht zurückschrecken.

Die Ideen zur Ökologie Vilms sind interessant und bedenkenswert. Besonders gefallen hat mir die spiegelsymmetrische Fauna (die mich ein wenig an die Zeichentrickserie CatDog erinnert), wobei ich es bedauerlich finde, daß die intelligenten Wesen diese Symmetrie aufgegeben haben, da dies eine Rückkehr zu den von der Erde bekannten Verhältnissen bedeutet, wodurch die Fremdartigkeit deutlich verringert und die Chance vertan wird, eine wirklich fremdartige Denkweise vorzustellen. Dafür ist die Erklärung für die klimatischen Besonderheiten ilms sowohl fremdartig als auch genial und plausibel erdacht, was mich wieder ein wenig mit dem Buch versöhnt hat.

Die Geschichten werden sprachlich und stilistisch gut, aber mit einer gewissen inneren Distanziertheit erzählt, so daß trotz spannender und interessanter Handlungsstränge der Leser nicht wirklich gefesselt wird, sondern immer auf einer Armlänge Anstand gehalten wird. Das hat meinem Lesespaß deutlich Abbruch getan.

Nachtrag: Inzwischen habe ich von Verleger Ernst Wurdack und Lektorin Heidrun Jänchen erfahren, daß »Vilm« ursprünglich aus einer Reihe von Kurzgeschichten bestand, von denen mindestens eine bereits in den 1980er Jahren erschienen ist. Die Romanversion entstand auf Anregung seines Autorenkollegen Erik Simon und hätte 1991 erscheinen sollen, wurde dann aber wie viele andere ein Opfer des Zusammenbruchs des DDR-Verlagswesens nach der Wiedervereinigung. Aufgrund technischer Beschränkungen bei der vom Wurdack-Verlag genutzten Druckerei mußte das Buch bei der Veröffentlichung jetzt in zwei Bänden erscheinen. Möglicherweise hätten sich einige meiner Kritikpunkte erledigt, wäre »Vilm« komplett als »Backstein« in einem Band erschienen. Ich werde in der Rezension des zweiten Teils auf diese Frage zurückkommen.

Fazit: Ein stilistisch und sprachlich guter Roman, der mir jedoch aufgrund der Distanziertheit der Erzählweise und seiner Episodenhaftigkeit nicht besonders zugesagt hat.


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Erstellt am So, den 26.07.2009 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am So, den 26.07.2009 um 21:33.