Oliver Kappel: Die Entdeckung [Future-Zyklus Band 2]. Books on Demand 2006, ISBN 3-8334-3696-4, Paperback 17,0 cm x 22,1 cm, 244 Seiten, 14,90 Euro
Der gebürtige Deutsche Sam Sullivan, seine Frau Larissa und ihr Bruder Michael O'Lyri arbeiten bei der ESA. Vor einiger Zeit ist der Start der Sonder Viking 10 in den Weltraum mißlungen, die Sonde ist verschollen. Die NSA zieht ihn zu einer archäologischen Ausgrabung hinzu, denn in einem 100.000 Jahre alten Anlage, die offenbar von Außerirdischen gebaut wurde, wurde ein Bauteil der Viking 10 gefunden. Beim Berühren eines alten außerirdischen Skeletts erkrankt Sam schwer und hat anschließend Visionen von seinem Leben auf Labu. Der Gruppe gelingt es, die Betondecke der 2000 Meter langen Anlage zu öffnen. Innen finden sie ein Raumschiff aus einem erstaunlich elastischen Material.
Ein wenig Recherche hätte dem Buch gutgetan. Es gibt einige zum Teil recht dicke Klöpse, die durch kurzes Nachsehen z. B. im Internet hätten richtig dargestellt werden können. Ein paar Beispiele: Die NSA (National Security Agency) ist der Inlandsgeheimdienst der USA, für Auslandseinsätze ist die CIA (Central Intelligence Agency) zuständig. S. 34: Ein Elektronenmikroskop hat kein »Auge« (Okular), und der Vergrößerungsfaktor liegt bei weit über 1000x (was die Grenze für Lichtmikroskope ist). Für elektronische Schaltungen wäre ein Elektronenmikroskop tödlich, es wird üblicherweise zur Untersuchung z. B. der Struktur von Eiweißmolekülen oder Viren eingesetzt. S. 40: Mukoviszidose ist nicht ansteckend, sondern eine Erbkrankheit, gegen die man sich auch nicht impfen lassen kann. Mukoviszidosekranke haben zu zähen Schleim in allen Drüsen und sterben irgendwann daran, daerzeitige Lebenserwartung 32 Jahre. S. 42: Fibroseanfälle haben nicht notwendigerweise mit Mukoviszidose zu tun, sondern können z. B. nach dem Einatmen von Staub (nicht aber beim Berühren eines Knochens) auftreten. Die auf S. 42 erwähnte Bakterieninfektion durch Pseudomonas aeruginosa ist keine Mukoviszidose, sondern eine Sekundärerkrankung bei bereits bestehender Mukoviszidose oder anderen Lungenkrankheiten mit erhöhtem oder zähem Schleim. Pseudomonas aeruginosa ist übrigens ein sehr häufiges aerobes (sauerstoffbenötigendes) Bakterium, einer der wichtigsten Lebensmittelverderber. Eine Ansteckung durch Berührung eines seit 100.002 Jahren verwesten Skeletts kann also kaum solch eine Infektion zur Folge haben, zumal ein gesunder Mensch damit problemlos fertigwird. Seltsamerweise zitiert Olaf Kappel auf den Seiten 42 - 43 korrekte Informationen über Mukoviszidose, die er offenbar falsch interpretiert. Nun ja, wissenschaftliche Texte sind nicht immer leicht zu verstehen, allerdings lebt die Science Fiction (wörtlich übersetzt: wissenschaftliche Erdichtung/Erfindung) in nicht unerheblichem Maße davon, daß wissenschaftliche Tatsachen korrekt wiedergegeben und auf ihrer Grundlage die Zukunft und eine gute Geschichte aufgebaut werden.
Glücklicherweise kommt kurz darauf die Geschichte mehr in Fahrt. Im Vergleich zum ersten Band hat sich der Erzählstil deutlich verbessert. Leider ist er noch immer sehr holprig, und es fällt dem Autor schwer, Spannung aufzubauen. Besonders irriztieren mich die Dialoge, bei denen nur sehr schwer feststellbar ist, wer gerade spricht. Im Nachwort schreibt Olaf Kappel, daß er sich das Buch »immer wieder vorgestellt [hat], so als wäre er real.« Das könnte die Erklärung sein - in einem Film sieht man, wer spricht, und kann außerdem die Stimmen unterscheiden. Bei einem schriftlichen Text fehlen beide Möglichkeiten, so daß Autoren hier der Identifizierbarkeit der Sprecher große Aufmerksamkeit widmen müssen. Der Mittelteil des Buches behandelt eine archäologische Ausgrabung, bei der ein außerirdisches Raumschiff freigelegt wird - mit der Besatzung in Kälteschlafkammern. Olaf Kappel meistert diesen Teil des Buches recht ordentlich, unter Berücksichtigung der bereits erwähnten Probleme mit dem Schreibstil.
Nach dem Aufwecken der Besatzung verschlechtert sich das Buch wieder deutlich. Wie schon im ersten Band gelingt es dem Buch nicht, mir die labuanische Kultur nahezubringen. Für mich wirken die Erklärungen von Herrscher Kontin widersprüchlich, unlogisch und verwirrend. Ich bin mir sicher, daß der Autor ein klares Bild der Kultur hat, ich wünsche mir nur, daß er es so zu Papier bringt, daß ich es mit meinem strikt logisch vorgehenden Verstand auch erfassen kann. Des weiteren kommen am Schluß des īBuches erneut einige Behauptungen, die aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht zu halten sind. Um möglichen Lesern den Spaß am Buch nicht zu verderben, möchte ich hier nicht genauer darauf eingehen. Mich stört so etwas immer sehr, aber ich bin ja auch Naturwissenschaftler... Olaf Kappel hat auch ein nettes Zitat aus Star Wars - Die Rückkehr der Jedi-Ritter eingebaut: Es gibt einen Kobalt-Detonator!
Fazit: Der zweite Band ist deutlich besser geworden als der erste, der Schreibstil ist aber immer noch recht hölzern, die labuanische Kultur wird mir nur widersprüchlich erklärt, und die vielen wissenschaftlichen Fehler stören mich sehr. Leider nicht empfehlenswert. Aber es besteht Hoffnung, wenn sich der Autor mit jedem Band weiter verbessert!
Copyright ©2006 Martin Stricker.
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Erstellt am So, den 11.06.2006 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am So, den 11.06.2006 um 13:10.