Herbert W. Franke: Auf der Spur des Engels

Herbert W. Franke: Auf der Spur des Engels. Deutscher Taschenbuch Verlag dtv 2006, ISBN 3-423-24540-9, Paperback mit Klappbroschur 13,5 cm x 21,0 cm, 337 Seiten, 14,50 Euro

Herbert W. Franke: Auf der Spur des Engels

Der Extremsportler und Rekordjäger Sylvan Caretti bereitet sich auf einen Fußmarsch zum Nordpol vor. Dabei muß er sich beeilen, denn das Nordpolareis schmilzt dank Treibhauseffekt jeden Sommer. Währenddessen möchte Robin Landt, ein Ermittler des Internationalen Gerichtshofes, einer der letzten unabhängigen Institutionen der Erde, mit seinem Ausbildungsfreund Angelo Brugger den Jahrestag ihres Ausbildungsabschlusses feiern - doch der ist nicht aufzufinden. Außerdem wird Robin nun einem Verhör unterzogen von der längst privatisierten Polizei. So langsam kommen Robin und seine Mitstreiter einer Verschwörung auf die Spur, die offenbar einen Anschlag auf den Weltwirtschaftsgipfel plant. Dieser Gipfel findet an einem geheimen Ort statt - einem Luxushotel auf einer Ölbohrplattform mitten im Eis des Nordpolarmeers, und Sylvan muß nach einem Flugzeugabsturz genau dort Zuflucht suchen.

Franke hat sich diesmal das Kriminal-Genre ausgesucht (neudeutsch würde das wohl als Thriller bezeichnet), verlegt in eine zukünftige Welt, die sich mit der Klimaerwärmung arrangiert hat und in der die Globalisierung und die Unterwanderung der Politik durch globale Firmen (sowie deren Unterwanderung durch mafiöse Strukturen) kurz vor dem Höhepunkt stehen. Franke führt damit bereits heute deutlich sichtbare Trends konsequent fort und kommt zu einem ähnlichen Schluß wie einst Karl Marx: Alle Firmen sollen unter einem Dach zusammengeführt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, schrecken einige Verbrecher vor nichts zurück.

Die Handlung wird aus zwei Blickwinkeln erzählt, die sich auch durch den Schriftsatz deutlich unterscheiden: Sylvan Caretti schreibt als Ich-Erzähler mit deutlicher emotionaler Anteilnahme seine Erinnerungen nieder, diese Teile des Buches sind in einer Serifenschrift gedruckt. Die Erlebnisse von Robin Landt werden aus einer objektiven Perspektive (vermutlich von Sylvan) sachlich dargestellt und in einer nüchtern wirkenden serifenlosen Schrift gedruckt. Dadurch ist dem Leser sofort klar, aus wessen Sicht gerade berichtet wird.

Franke erzählt seine Geschichte strikt der Reihe nach - jedes Kapitel ist mit dem jeweiligen Datum betitelt. Die Geschichte wird geradlinig, zielgerichtet und ohne Abschweifungen erzählt. Dabei gibt es (fast) keine Überraschungen, trotzdem kann Franke Spannung aufbauen und den Spannungsbogen das ganze Buch hindurch gepannt halten. Der Autor gibt dabei Geschichte und Protagonisten die nötige Zeit sich zu entwickeln, findet das geeignete Mittelmaß zwischen Charakterbildung und Spannungsaufbau. Dabei paßt er auch noch eine gute Portion Gesellschaftskritik (Globalisierung, Einflußnahme der Wirtschaft auf Politik und Rechtsprechung, Klimaveränderung, Gefahren bei der Privatisierung wichtiger Staatsaufgaben) nahtlos in die Geschichte ein - an keiner Stelle ist ein erhobener Zeigefinger spürbar. Bedauerlich finde ich nur, daß mich bis auf eine Kleinigkeit im ganzen Buch nichts überraschen konnte.

Ich möchte nun ein paar Vergleiche zwischen den letzten drei Romanen von Herbert W. Franke »Sphinx_2« (2004), »Cyber City Süd« (2005) und »Auf der Spur des Engels« (2006) ziehen. War »Sphinx_2« vom Erzählstil her eher altbacken - die Charaktere waren eher zweidimensional gezeichnet - war »Cyber City Süd« deutlich moderner erzählt und insbesondere Madja Barlach sehr gut gezeichnet. Durch die Konzentrierung auf einen Charakter geriet allerdings der Erzählfluß der Geschichte ins Hintertreffen. In »Auf der Spur des Engels« hat sich Franke für einen Kompromiß entschieden: Er konzentriert sich auf zwei Protagonisten (Sylvan und Robin), behält aber den Handlungsfluß im Auge und opfert dafür etwas Tiefe seiner Charaktere. Diese wirken leider wieder etwas flach. Bei Sylvan macht das im Nachhinein sogar Sinn, bei Robin ist es aber bedauerlich. Möglicherweise soll das den Eindruck verstärken, daß Sylvan hier über Geschehnisse berichtet, von denen er nur aus zweiter Hand erfahren hat. Der sehr sachliche und distanzierte Erzählstil in den Passagen mit Robins Erlebnissen bestärkt mich in dieser Einschätzung.

Fazit: Herbert W. Franke legt einen geradlinig und doch spannend geschriebenen Science Fiction-Kriminalroman vor. Dabei bringt er geschickt Gesellschaftskritik mit ein. Leider treten die Charaktere hinter der Handlung zurück, die auch keine Überraschungen bietet. Da es Franke gelingt, den Spannungsbogen ohne Hänger zu halten, bietet das Buch trotzdem solide Unterhaltung, ich habe es mit Genuß in einem Satz durchgelesen. Empfehlenswert.


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Erstellt am Di, den 19.09.2006 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am Mio, den 20.09.2006 um 01:13.