Andreas Eschbach: Black Out [Black Out Band 1]. Würzburg 2010, Arena, ISBN 3-401-06062-7, Hardcover mit echter Fadenheftung, Schutzumschlag und Lesebändchen 15,7 cm x 21,5 cm, 461 Seiten, 17,95 EUR
Serenity Joneslebt im kalifornischen Santa Clara und geht in die Abschlußklasse der High School. Sie hat einen furchtbaren Monat hinter sich, denn ihr Vater, der Technologiegegner Jeremiah Jones, wird des Terrorismus bezichtigt und landesweit gesucht. Zwar weiß niemand an ihrer Schule, daß es sich um ihren Vater handelt, trotzdem steht sie ziemlich neben sich und versiebt eine Arbeit in Mathematik so gründlich, daß ihr Notenschnitt nicht mehr für ein Studienstipendium ausreichen wird. Sie beschließt, während der Frühjahrsferien zu lernen statt zu feiern, auch wenn es ihr schwerfällt. Da tritt Christopher Kidd, ein deutsch-englischer Junge und Computerhacker, in ihr Leben und bittet sie, ihn zu ihrem Vater zu bringen, da die beiden sich gegenseitig helfen könnten. Serenity tut ihn zunächst als Spinner ab, doch kann er demonstrieren, daß er erstaunliche Kontrolle über Elektronik hat. es stellt sich heraus, daß er einen Chip implantiert bekommen hat, der ihn zu einem Netzwerk miteinander verbundener Gehirne verschalten kann. Dieses Netzwerk will um jeden Preis wachsen und letztlich alle Menschen in sich aufnehmen - das Ende von Individualität und Selbstbestimmung. Christopher will das verhindern, benötigt dazu jedoch Hilfe. Also machen sich Christopher, Serenity und ihr Bruder Kyle auf den Weg zu Jeremiah Jones Versteck...
Andreas Eschbach erzählt gern und viel, und auch diesem Roman hätten einige kräftige Kürzungen gutgetan. Hier habe ich jedoch den Eindruck, daß Eschbach hier ein wenig Selbstironie einfließen läßt, da er Christopher ständig sagen läßt, wonach auch immer gefragt wird, sei eine lange Geschichte. Und lang ist sie in der Tat, da vieles mit mehr Details als nötig erzählt wird und dieser dicke Wälzer erst der Beginn einer auf 3 Bände angelegten Reihe ist. Immerhin ist »Black Out« geschickter aufgebaut als seine letzten Erwachsenenromane, bei denen ich eher den Eindruck hatte, er versuche seine jeweilige Botschaft mit aller Gewalt in die Leser hineinzuprügeln - die daraus resultierenden Schwafeleien haben den Spannungsbogen in "Ausgebrannt" und "Ein König für Deutschland" gadenlos zerschnitten. Nicht so in »Black Out«, da findet Eschbach fast die richtige Balance zwischen Warnen und geschichtenerzählen. Überhaupt habe ich den Eindruck, daß er sich bei diesem Kinderbuch mehr Mühe gegeben hat als bei den letzten zwei oder drei Erwachsenenromanen zusammen.
Die Charaktere werden gut und glaubhaft dargestellt, auch wenn sich das Buch vor allem auf Serenity konzentriert - fast das gesamte Buch ist zwar in der dritten Person, aber zu einem Großteil aus ihrer Sichtweise geschrieben, es gibt nur einige Szenen aus Christophers Perspektive (seine Rückblende-Erzählungen gelten nicht, da Serenity die ja aus Christophers Perspektive hört). Im Lager von Jeremiah Jones angekommen wird das Ganze sogar noch extremer, da dann einfach von Dad die Rede ist, wenn Serenitys Vater gemeint ist. Dadurch bleibt zwangsläufig die Ausgestaltung der anderen Charaktere auf der Strecke.
Der einzige Protagonist, dessen Handlungsweise unverständlich bleibt, ist die Kohärenz, die Zusammenschaltung der Upgrader. Zwar wird an einer Stelle erklärt, warum sie möglichst schnell wachsen muß, aber selbst das ist einfach nur eine Behauptung. Es gelingt dem Buch nicht, die Handlungsweise dieses Gruppenwesens verständlich zu machen. Mag sein, daß der Autor genau das beabsichtigt, um es fremdartiger und bedrohlicher darzustellen, trotzdem bleibt für mich unverständlich, wieso aus dem unmittelbaren Zusammenschluß der Gehirne von zumeist anständigen, emotionalen Menschen ein derart rücksichtsloser und gefühlloser Gegner werden soll. Mag sein, daß Eschbach hier den Herdeneffekt bei Menschenmassen ansetzt oder einfach nur einen möglichst gefährlich und unmenschlich wirkenden Gegner aufbauen will, für mich bleibt die Kohärenz unverständlich und daher mein größter Kritikpunkt am Buch.
Andreas Eschbach gelingt es, den Handlungsort U.S.A. mit vielen schönen Details glaubhaft darzustellen, auch wenn ihm zwei Dinge unterlaufen, die meinen eigenen Erfahrungen in den Staaten widersprechen: An Bushaltestellen gibt es, abgesehen von großen Busbahnhöfen, keine Information über Abfahrtszeiten. Meist kann man froh sein, wenn man die Haltestelle überhaupt erkennt, da oft nur ein kleines Schildchen mit einer Nummer (die Nummer der hier haltenden Linie) darauf hinweist. Außerdem ist in den USA außer in Großstädten ziemlich viel Platz zwischen den Häusern, und nach dem, was ich über Google Earth gesehen habe, macht Idaho Falls da keine Ausnahme.
Sprachlich arbeitet »Black Out« mit geringfügig simplerem Satzbau und Wortwahl als die Erwachsenenromane von Andreas Eschbach, im Vergleich zu vielen anderen Jugendbüchern wird den Lesern hier also eine recht gute und komplexe Sprache dargeboten.
Fazit: Für jugendliche Leser empfehlenswerte Lektüre, für Leser mit höherem Anspruch jedoch unzureichend.
Copyright ©2011 Martin Stricker.
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Erstellt am So, den 31.07.2011 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am So, den 13.11.2011 um 21:15.