Andreas Brandhorst: Feuerträume [Kantaki Band 6, Grakenkrieg Band 3]. München Februar 2008, Wilhelm Heyne Verlag, ISBN 3-453-52299-0, Paperback 11,8 cm x 18,7 cm, 574 Seiten, 8,95 Euro
Dominique und Rupert versuchen nach dem Tod von Mutter Rrirk, mit deren Raumschiff die letzten Kantaki zu finden. Dabei geraten sie in die nichtlineare Zeit und stürzen auf dem Plkaneten Heres ab. Der Weise Tarweder nimmt sie auf. Gemeinsam reisen sie durch die vier Dominien, in Raum und Zeit getrennte Teile von Heres, und suchen nach dem Zugang zum Fünften Dominion, in dem die überlebenden Kantaki an einem Zugang zum Plurial arbeiten sollen. Währenddessen wächst in der linearen Zeit der Junge Nektar heran. Als er mit 8 Jahren bei einem Grakenangriff seine Eltern verliert, spürt er in sich die Gewißheit, erst zu sterben, nachdem ihm ein großer Sieg über die Graken gelungen ist. Daraufhin betreibt er zielstrebig eine Karriere in den Streitkräften des Konzils der Überlebenden, obwohl es so aussieht, als ob die Graken die ehemaligen Allianzen freier Welten in den letzten 12 verbliebenen grakenfreien Sonnensystemen in Ruhe lassen. Ihm und einigen anderen ist klar, daß die Graken erneut angreifen werden, wenn sie den unglücklichen Bewohnern der besetzten Planeten die letzte Lebensenergie, das Amarisk, ausgesogen haben werden. Die Maschinenzivilisationen, Weiterentwicklungen der intelligenten Megatrone, helfen dabei, den Hauptstützpunkt der Graken zu suchen.
Der Handlungsstrang mit Dominique und Rupert schließt sich unmittelbar an den vorherigen Band »Feuerstürme« an, während in der linearen Zeit über 80 Jahre vergangen sind. Die in der Zwischenzeit vorgefallenen Ereignisse werden in Form von Rückblenden vor allem aus Nektars Sicht erzählt. Die freien Lebewesen sind auf 21 Planeten in 12 Sonnensysteme beschränkt, was ihre Wirtschaftskraft, ihre Ressourcen und damit auch ihre Verteidigungsfähigkeit beeinträchtigt. Wären da nicht die sehr weitentwickelten Machinenzivilisationen, die sich nach ihrem Gründer Zäiden nennen, wäre die Wirtschaft vermutlich bereits zusammengebrochen. Dabei haben die Zäiden von den Graken gar nichts zu befürchten, denn sie sind nichtbiologisch und haben kein Amarisk. Auch im Tal-Telas werfen sie keine Schatten, werden daher von vielen Tal-Telassi abgelehnt. Die Tal-Telassi Tamara 14 muß ihre tiefe Abneigung gegen die Zäiden überwinden, um mit Impro Afraim Zacharias in Erasmus, der auch das Transportmittel darstellt, nach dem Hauptquartier der Graken zu suchen. Sie werden fündig, und nun kann Nektar mit der Planung seiner Militäroffensive beginnen.
Andreas Brandhorst legt einen weiteren sehr farbigen Roman im Ziegelsteinformat vor. Durch den zur Verfügung stehenden Platz kann der Autor die verschiedenen Orte und Kulturen detailliert beschreiben und dadurch in der Vorstellung des Lesers zum Leben erwecken. Dabei verwebt er seine Ortsbeschreibungen so geschickt mit der Handlung, daß sie den Spannungsbogen nur wenig belasten und selten zu kürzungsbedürftigen Längen führen. Diese vielen farbig beschriebenen Handlungsorte halten den Leser in Atem und machen es schwer, das Buch zur Seite zu legen, bevor es ausgelesen ist.
Die Handlung wird schon durch die verschiedenen Orte und die regelmäßigen Zeitsprünge interessant gehalten. Brandhorst deutet gern erst die Folgen in der Jetztzeit an, bevor er die Zusammenhänge in einer Rückblende genauer darstellt. durch diese Methode gelingt es dem Autor, das Interesse der Leser wachzuhalten und die Spannung zu erhöhen. Schließlich will man ja, neugierig wie man ist, wissen, was denn nun dahintersteckt.
Durch seine geschickte und fesselnde Erzähltechnik gelingt es Brandhorst, die Schwäche des Romans gut zu überdecken, nämlich die Charakterisierung der Protagonisten oder besser deren Fehlen. Fast alle Personen bleiben zweidimensionale Klischees, nur bei Nektar, Tamara 14 und Dominique erfährt man ein wenig über ihre Gedanken und Motive, allerdings nicht genug, um diese drei Charaktere zum Leben zu erwecken. Der Roman weist interessante Protagonisten auf, die eine detailliertere Darstellung verdient hätten.
***Spoilerwarnung! Wer nicht wissen möchte, wie das Buch ausgeht, lese bitte beim Fazit weiter.***
Die Auflösung der Trilogie, die letztlich auch die Auflösung der gesamten Hexalogie ist, entpuppt sich auf den ersten Blick als eher unspektakulär, ja geradezu banal. Der fiese Gnom Olkin stellt sich nicht unerwartet als kranker, eigentlich eher verrückter, Prävalenter heraus, der sich unser Universum geschaffen hat, um dorthinein zu fliehen. Ich war beim Lesen ziemlich enttäuscht. Inzwischen hatte ich etwas Zeit, mir das Ganze durch den Kopf gehen zu lassen. Das Ende kann durchaus als sehr religionskritische Auflösung angesehen werden: Die sehr transzendentale Weltanschauung der alten Kantaki, die die gesamte Hexalogie durchzieht und die erste Trilogie bestimmt, wird völlig ad absurdum geführt. »Der Geist, der Materie wurde« und so das Universum geschaffen haben soll, entpuppt sich als wahnsinniger Gott, der von seinen Artgenossen kaltgestellt worden ist und nun versucht, in seine Schöpfung zu fliehen. Daraufhin beschließen die alten Kantaki, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, wenden sich gegen ihre eigenen Kinder, die die Wahrheit akzeptiert haben, wandeln Heres in die fünf Dominien um und arbeiten im fünften Dominion an einem Zugang zum Plurial. Ihr Ziel ist, den ungeliebten Schöpfer zu töten, um dadurch den Geist, der Materie wurde, wieder von dessen Einfluß zu befreien. Um rs mal kraß auszudrücken: Die alten Kantaki ermorden ihre Kinder und wollen Gott umbringen, bloß weil der nicht in ihre Philosophie paßt! Das ist starker Tobak, der viel Stoff zum Nachdenken bietet.
Die anderen Prävalenten kommen im Buch auch nicht allzugut weg, sie sind für ihre unglaubliche Machtfülle doch erstaunlich naiv - so kommt ihnen überhaupt nicht in den Sinn, Olkins Machenschaften zu überprüfen, und sie sind völlig überrascht, daß er sich als Massenmörder herausstellt. Sie müßten eigentlich mit so etwas gerechnet haben. Das läßt freilich den unangenehmen Schluß zu, daß die den Menschen inhärente Bösartigkeit wohl auf die Schöpfung durch den wahnsinnigen Olkin zurückgeht - in anderen Universen müßte es also ein deutlich freundlicherer Umgangston herrschen. Das egoistische und kriegstreiberische Wesen der Menschheit wäre also das Abbild eines geisteskranken Gottes. Nicht gerade ein angenehmer Gedanke...
Ich war bei den bisherigen Bänden der Graken-Trilogie immer der Meinung, das die Verbindung mit den ersten drei Kantaki-Bänden künstlich war und nur dazu diente, Leser der ersten Trilogie auch für die zweite zu interessieren. Das ist auch in diesem Buch nicht wirklich anders, aber einen Grund für die Kantaki im Grakenkrieg gibt es doch: Ohne diese Verbindung wäre der hintergründige Schluß seiner Hintergründigkeit beraubt worden.
Am Schluß des Buches kann sich Brandhorst nicht verkneifen, noch eine hübsch ironische Szene zu bieten: Die Tal-Telassi versuchen erneut, mittels des Tal-Telas frende Welten zu erforschen - genau das hatte die Graken in unsere Glaxis geholt. Einer Fortsetzung der Hexalogie steht also nichts im Wege...
***Spoilerwarnung Ende***
Fazit: Eine farbige kriegslastige Space Opera, deren guter Erzählstil die zweidimensionale Charakterisierung der Hauptpersonen überdeckt. Das Ende bietet im Hintergrund interessante philosophisch-religiöse Ideen. Das Buch läßt sich gut lesen, auch wenn die ständigen Zeitsprünge gewöhnungsbedürftig sind. Insgesamt durchaus empfehlenswert.
Copyright ©2008 Martin Stricker.
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Erstellt am Do, den 31.07.2008 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am Do, den 06.11.2008 um 23:09.