Frank Borsch: Alien Earth Phase 1 [Alien Earth Band 1]

Frank Borsch: Alien Earth Phase 1 [Alien Earth Band 1]. Heyne 2006/2007, ISBN 3-453-52230-3, Paperback 12,0 cm x 18,7 cm, 494 Seiten, 8,95 Euro

Frank Borsch: Alien Earth Phase 1 [Alien Earth Band 1]

2058 schwenkt ein Raumschiff in die Erdumlaufbahn, schickt Sonden aus, die im Sonnensystem Rohstoffe schürfen und das Raumschiff vergrößern, und läßt kreuzförmige Artefakte in den Pazifik stürzen. Die Menschheit wird komplett ignoriert, bis auf die ständig in vielen Sprachen abgestrahlte Botschaft »Fürchtet euch nicht«.

Inzwischen ist 2065. Nach einem kurzen und heftigen Krieg haben sich Rotchina und die USAA (Vereinigte Staaten von Amerika und Arabien, zu der auch Ägypten gehört) die Haupteinschlagszone der Alien-Artefakte aufgeteilt. Der Human Company, die sich für eine globale friedliche Zusammenarbeit und friedlichen Kontakt mit den Aliens einsetzt, gelang es immerhin, Tuvalu zu kaufen und sich von diesem weit entfernten Atollen ein paar Artefakte zu sichern. Zur Beschaffung von Geld und Piloten veranstaltet sie die Flyboy-Lotterie: Wer gewinnt, darf sich zum Piloten ausbilden lassen. Überall auf der Erde scheinen sich Alien-Psychen in Menschen zu manifestieren. Das Hunter-Corps fängt und verhört alle Manifestationen, die zu fassen sind, außer in den USAA und dem Gebiet der Human Company. Dabei werden sie von Alienisten behindert und angegriffen. Sogenannte Überschußmenschen, mittellose Arbeitslose, werden in vielen Staaten wie Schwerverbrecher behandelt, eingesperrt und zur Arbeit gezwungen. Jeder Fluchtversuch führt zum Tod durch das Kontrollhalsband.

Ekin ist Angehörige des Hunter-Corps in Deutschland und jagt mit ihrem Partner Paul Alien-Manifestationen im Außeneinsatz. Als er plötzlich abtaucht, muß sie entsetzt feststellen, daß ihr Partner schon lange von ihr unbemerkt eine Alien-Manifestation in sich trug. Doch die Übernahme war nicht vollständig, Paul kann ihr eine Nachricht zuspielen, und so macht sich Ekin auf die Suche...

Rudi wuchs in der Endzeit-Kommune Himmelsberg auf, in der man sich mit harter Arbeit und geplanter Massenfortpflanzung auf den Untergang der Menschheit vorbereiten. Das gewonnene Flyboy-Los befreit ihn von hier und bringt ihn zum Atoll Funafuti. Durch einen Ausflug auf die Vergnügungsinsel Neo-Bangkok fällt er in Ungnade und muß mit der Außenseitercrew um Diane und Wilbur in einem völlig veralteten Flugzeug fliegen. Doch die Crew scheint mehr zu wissen...

Wieselflink hatte einen guten Job, doch dann verlor er ihn und ist nun einer der vielen Überflußmenschen, die die bundesdeutsche Regierung in zugeschweißte Eisenbahnwaggons ausgelagert hat. Seinen neuen Namen hat er sich ausgesucht, weil er schnell flitzen kann und sich dadurch einigermaßen aus Schwierigkeiten heraushält. Bei einer weteren Verlegung gerät er an das Große Pack, das für Bahnnomaden erstaunlich gut versorgt und ausgerüstet ist. Ihr Anführer Wolf behauptet, bald würde das große Pack vom Alienschiff an Bord genommen und nach Sigma V reisen. Wieselflink mißtraut dieser Heilslehre und versucht zu fliehen...

Drei Personen, die zunächst nur gemeinsam haben, daß sie alle aus Deutschland stammen. Ekin kämpft gegen die Aliens, Rudi ist von ihnen fasziniert (obwohl sie eigentlich nur Mittel zum Zweck waren, aus Himmelsberg rauszukommen), und Wieselflink sind sie einfach egal. Dann gibt es aber wieder Parallelen in der Art, wie sie vorgestellt werden: Alle drei haben sich mit ihrer Welt arrangiert, aus der sie plötzlich herausgerissen werden. Ekin ärgert sich zwar über Pauls Benehmen, ist aber völlig überrascht, daß er schon lange vom Feind übernommen wurde. Rudi hat es als Flyboy geschafft, doch sein Ausflug nach Neo-Bangkok macht ihn zum Außenseiter. Wieselflink hat sich in der Fabrik mit Fleischberg arrangiert, als er plötzlich beim Großen Pack landet und fast getötet wird. Das erinnert mich an das Strickmuster der meisten Disney-Spielfilme: Man zeige eine Welt, in der alles paletti ist, zerstöre diese dann und lehne sich dann bis zum Ende des Films genüßlich zurück und beobachte, wie die Heldin / der Held versucht, den Kram wieder in Ordnung zu bringen. Disney dauernde Verwendung dieses Musters zeigt, daß es erfolgreich ist, und es funktioniert auch hier.

Im Mittelpunkt des Buches stehen aber die Aliens. Es ist interessant zu sehen, wie sie mehr und mehr in den Mittelpunkt treten, obwohl sie eigentlich gar nichts tun - ihr Schiff hängt einfach im geostationären Orbit und schmeißt hin und wieder Artefakte in Richtung der tiefsten Stelle des Pazifiks, wobei ihnen die Treffergenauigkeit offenbar völlig egal ist. Außerdem versuchen sie sich hier und da in Menschen zu manifestieren. Trotzdem sind sie allgegenwärtig, beherrschen das Denken, die Erwartungen der meisten Menschen. Erst ganz zum Schluß kann der Leser erahnen, inwieweit die Aliens tatsächlich Einfluß nehmen.

Über den Hintergrund auf der Erde schweigt der Autor sich beharrlich aus. Was ist passiert in den 60 Jahren zwischen jetzt und den im Buch geschilderten Vorgängen? Es dauert ziemlich lange, bis der Leser erfährt, daß USAA für Vereinigte Staaten von Amerika und Arabien steht. USA und Arabien sind derzeit eher verfeindet, von daher hätte mich sehr interessiert, wie es zu einer Vereinigung gekommen ist. Auch andere Dinge werden ohne Erklärung einfach in den Raum gestellt. Dadurch wirkt das Ganze für mich ziemlich unglaubwürdig. Es fehlt jede Auseinandersetzung mit den Veränderungen, sie werden einfach als gegeben hingenommen, dabei böten viele Ansatzpunkte für eine kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen, die zu den Zuständen von 2065 geführt haben. Die Manifestation von »Alienseelen« in Menschen fällt für mich in den Bereich Esoterik, auch das gefällt mir am Buch nicht. Das ist natürlich Geschmackssache.

Die Handlung kommt mit erstaunlich wenigen Protagonisten aus, zu den drei Zentralpersonen kommen jeweils nur ein paar weitere aus ihrer unmittelbaren Umgebung. Dadurch kommt es nur wenig zu sozialen Interaktionen, was wiederum den Hauptcharakteren wenig Gelegenheit gibt, sich zu entfalten. Überhaupt bleiben alle drei Hauptcharaktere eher zweidimensional. Alle verbeißen sie sich in nur eine Aufgabe, was bei Wieselflink und vielleicht auch Paul noch verständlich ist, aber zumindest bei Ekin hätte ich weitere Interessen erwartet. Der facettenreichste Charakter ist Paul, was natürlich damit zu tun hat, daß er einen zweiten Charakter, das Alien, in sich trägt.

Das Buch beginnt zunächst gemächlich, was auch sinnvoll ist, um dem Leser Gelegenheit zu geben, sich in die seltsame Welt hineinzufinden, was leider ohne Mithilfe des Autors (die durch Erklärungen der Veränderungen wie USAA hätte erfolgen können) geschehen muß. Doch schnell baut sich ein Spannungsbogen auf, der mich immer wieder zum Weiterlesen animiert hat und den Frank Borsch bis zum Ende und darüber hinaus sauber aufrechterhält. Darüber hinaus deswegen, weil es sich um einen »Cliffhanger« handelt, denn das Buch endet am Spannungshöhepunkt, als endlich die Möglichkeit besteht, etwas über die Aliens zu erfahren. Sehr ärgerlich - ich mag derartige Fortsetzungsgeschichten nicht, da ich zulange auf den nächsten Teil warten muß. Derartige Mehrteiler lese ich am liebsten alle zusammen am Stück.

Fazit: Ein ordentlich geschriebenes Buch mit gutem Spannungsbogen. Sowohl die Protagonisten als auch der Handlungshintergrund könnten allerdings mehr Tiefe und Facettenreichtum vertragen. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten und ihren Ursachen fehlt völlig. Das abrupte Ende des ersten Teils erfordert eine bald erscheinende Fortsetzung. Trotz aller Kritikpunkte wurde ich gut unterhalten und warte schon auf Teil 2.


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Erstellt am Di, den 23.01.2007 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am Di, den 13.02.2007 um 23:14.